Seit Mai 2013 zeigt das phæno in Wolfsburg die Sonderausstellung „Mathe x anders - Die Magie der Formen und Muster". Der Physiker Dominik Essing (DE) hat die über 30 interaktiven mathematischen Experimentierstationen zusammengestellt. Besucher können hier der Schönheit der Mathematik auf die Spur kommen. Davy Champion (DC), ein Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik, ist für die derzeit laufende Mathe-Show „Mathematik macht glücklich?!" verantwortlich. Er hat am Deutschen Museum in München bereits an der Vermittlung von Naturwissenschaft und Technik mittels verschiedener Theaterformen gearbeitet. Das spektakuläre phæno-Gebäude wurde übrigens von der Architektin und Mathematikerin Zaha Hadid entworfen. Stephanie Schiemann vom DMV-Netzwerkbüro Schule-Hochschule sprach mit den beiden phæno wissenschaftlicher Ausstellungsleiter Dominik Essing und mit dem aus Frankreich stammenden Verantwortlichen für die Wissenschaftsshows David Champion.

MM Oktober 2013 klein
(Foto: privat)

Wie kam es dazu, dass das phæno die Mathematik seit einiger Zeit so ins Rampenlicht stellt?
DC: Wir haben in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit unseren Programmangeboten aus dem Bereich Mathematik gemacht, auch wenn Mathe in der Öffentlichkeit natürlich oft als spröde und schwer vermittelbar gilt. Kleinere Ausstellungen wie eine Tüftel- und Knobelausstellung oder das Minimathematikum wurden von unseren Besuchern sehr gut angenommen, sodass wir immer wieder Nachfragen hatten, ob wir nicht das Thema wieder aufgreifen könnten. Auch eine Vortragsreihe zur Mathematik, die wir in Zusammenarbeit mit der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen durchgeführt haben, hatte sehr guten Zuspruch.

Woher haben Sie die Ideen für Ihre Ausstellung/Show bekommen? Was hat sie inspiriert?
DE: In Deutschland gibt es natürlich z.B. mit dem Mathematikum in Gießen und dem Erlebnisland Mathematik in Dresden einige sehr schöne Matheausstellungen. Wir arbeiten sehr eng mit dem Technorama in der Schweiz und Exploratorium in San Francisco zusammen, das als die Keimzelle der Science Center gilt. Dort wurde vor einigen Jahren der Geometry Playground entwickelt, aus dem wir einige Exponate und Ideen aufgegriffen haben. In den USA gibt es aber noch einige weitere Ausstellungen z.B. das MoMath in New York oder die MathMoves Wanderausstellung, aus denen wir Anregungen für unseren Schwerpunkt Formen und Muster bezogen haben.
DC: Für die Matheshow haben wir über die Jahre Ideen gesammelt, die bei der Entwicklung für andere Showthemen entstanden sind. Mehrere Anregungen für diese Show stammen aus Büchern und Videos von Prof. Beutelspacher.

... sie Phänomene mit Anwendungen verknüpft. Dominik Essing und Davy Champion


Wie nehmen die Besucher die Ausstellung und die Show auf?
DC: Die Show wird gut angenommen. Wir - wie auch unsere „Showmaster" - waren zuerst etwas skeptisch wie die Besucher die Matheshow im Vergleich zu sehr populären Shows wie z.B. der Lasershow aufnehmen würden. Aber der Showtitel lautet „Mathematik macht glücklich?!" und tatsächlich haben die Zuschauer Freude an dieser Show, selbst wenn sie nicht auf spektakuläre Effekte setzt, und auch unsere Showmaster haben inzwischen große Freude daran, die Show vorzuführen.
DE: Unsere Ausstellungen richten sich immer an Freizeit- und Familienbesucher als auch Schulbesucher. Die Schulklassen verknüpfen den Ausstellungsbesuch häufig mit einem Mathe-Workshop hier im Haus, sodass die Ausstellung von den Lehrern und Schülern sehr gut aufgegriffen wird. Aber auch die Freizeitbesucher nehmen die die Stationen sehr gut an. Es ist schön zu beobachten, wie Besucher an den Stationen experimentieren und so einen Zugang zur Mathematik (wieder)finden.

Was werden für Fragen gestellt?
DC: Nach den Shows wollen manche Besucher genauer wissen, wie einige Experimente funktionieren, z.B. zu gekoppelten Metronomen oder zur kürzesten Verbindung mehrerer Punkte.
DE: Manchmal wird von den Besuchern auch die Frage gestellt, ob das denn überhaupt Mathematik ist, weil ja kaum Zahlen und Rechnungen in der Ausstellung auftauchen und es eher nicht abstrakt ist. Aber eine Station wie „Origami falten" schult natürlich räumliches Vorstellungsvermögen und Symmetrieverständnis. Und das ist ja auch unser Grundanliegen: eine Vorstellung zu geben was auch Mathematik ist!

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(Foto: Reuben Margolin & Phaeno)

Hat sich Ihre persönliche Beziehung zur Mathematik durch dieses Ausstellungs-/Showprojekt geändert?
DC: Wir hatten hin und her überlegt, ob eine Show zu dem Thema funktionieren würde...und im Nachhinein muss ich feststellen, dass Mathematik bühnentauglich ist und ein breites Publikum interessiert!
DE: Wir haben in unseren Experimentierstationen einen Schwerpunkt auf der Beobachtung von Phänomenen, und darüber entwickelt man eine Anwendung oder mathematische Beschreibung. Während der Entwicklung der Matheausstellung war es eher umgekehrt, also von bestimmten Formeln oder Funktionen ausgehend ein Phänomen zu suchen, das als interaktives Ausstellungsexponat funktioniert.

Was möchten Sie unseren Lesern empfehlen?
DE: Sich die Ausstellung und die Show selber anzuschauen! Auch für Mathematiker ist gibt es sicherlich noch Neues zu entdecken. Wir zeigen z.B. zwei große kinetische Kunstinstallationen von Chuck Hoberman und Reuben Margolin, die sicherlich eine völlig andere Perspektive auf Mathematik zeigen. Mein Lieblingsexponat in der Ausstellung ist eine Station bei der man mittels einer Laserstrahlebene Schnitte durch z.B. ein Plexiglas-Tetraeder oder einen Kegel legen kann. Wenn die Besucher dies vorher in Gedanken durchspielen und dann an der Station selber ausprobieren, sorgt das immer wieder für Überraschungen!
DC: Als ganz aktuelle Empfehlung läuft als Zusatzprogramm der Matheausstellung im Oktober unser Seifenblasenfestival mit Seifenblasenkünstlern wie Tom Noddy und schillernden Seifenblasenexperimenten zu Minimalfächen. Schulklassen bieten wir eine Rallye durch die Ausstellung, Workshops und Entdeckertouren zu unterschiedlichen Themen. Darunter gibt es auch eine phænolini-Tour für Erstklässler. Angebote für Schulklassen finden Sie hier. Zum 5-jährigen Jubiläum unserer populären Vortragsreihe läuft nach dem Start in 2008 jetzt wieder eine Vortragsreihe zur Mathematik. Das aktuelle „Mathe x anders"-Vortragsprogramm finden Sie hier. Der Eintritt zu den Vorträgen ist frei.

Die Mathematik-Ausstellung läuft noch bis Mitte Februar 2014.
Mehr unter: www.phaeno.de

Nachdem Bernd Pohlenz 1980 ein Studium der Germanistik und Kunstgeschichte zugunsten seiner künstlerischen Arbeit abgebrochen hatte, arbeitete Bernd Pohlenz als Cartoon-Zeichner für Zeitungen und Magazine. Bekannt wurde er zunächst als Zeichner für das Tip-Magazin (Berlin), die Hannoversche Allgemeine Zeitung, für den Tagesspiegel (Berlin) sowie als Mitarbeiter der legendären Zeitschrift TransAtlantik. Nach der Buchveröffentlichung „Pohlenz' Körpersprache" im Jahr 1987 und einer Einzelausstellung im Wilhelm-Busch-Museum Hannover, fertigte er vorwiegend Auftragsarbeiten für die Industrie und verschiedene Institutionen an.

Pohlenz ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter des weltgrößten Social Networks für die Cartoon-Kunst www.toonpool.com, in dem über 2.500 Künstlerinnen und Künstler aus 130 Ländern ihre Arbeiten ausstellen. Er unterstützte die Mathe-Cartoon-Wettbewerbe der DMV 2008 und 2013, indem er den Aufruf, Arbeiten zum Thema einzureichen, über www.toonpool.com weltweit verbreitete, was dann auch zu weltweiter Resonanz führte. Pohlenz war auch Mitglied der Jurys, die die DMV-Cartoonpreise kürten. Und sein Sohn Max Pohlenz (31) gestaltete zusammen mit einer Mitarbeiterin von toonpool die Internetseite der DMV-Adventskalender. Für diese Mathe-Adventskalender, bei denen im Dezember 2012 fast 150.000 Schüler*innen, Lehrer*innen und Mathe-Fans mitspielten, läuft seit 1. November 2013 die kostenlose Anmeldung für das Dezember-Spiel 2013.

Thomas Vogt sprach kürlich mit dem überzeugten Cartoonisten und Wahlberliner.

mm nov2013 pohlenz

(Eröffnung einer toonpool-Cartoon-Ausstellung am 11. April 2013 in Ankara; (links) Bernd Pohlenz (rechts) türkischer Staatspräsident Abdullah Gül/toonpool).

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zur Mathematik beschreiben?

Die Mathematik ist für mich ein Paralleluniversum, eine geheimnisvolle und äußerst faszinierende Welt, die ganz profan die Regelwerke unseres Alltags bestimmt, während mir zugleich ihre Unendlichkeit zutiefst bewusst ist. Sie erscheint mir als letztlich nicht fassbar, ohne Anfang und Ende, und ich frage mich gespannt, was die Forscher in diesem All der Mathematik noch entdecken werden, gerade auch, wenn es etwas Unerwartetes wäre.

Manche Menschen denken ja, Mathematiker*innen gehen zum Lachen in den Keller. Was ist da Ihre Erfahrung?

In meiner Schulzeit wollte sich ein Mathe-Lehrer besonders menschlich und humorvoll zeigen. Er ließ den anstrengenden Mathe-Unterricht, nachdem er die Gardinen des Klassenzimmers zugezogen hatte, zugunsten einer Dia-Show mit seinen nicht enden wollenden Urlaubsfotos ausfallen. Die knallbunten Bilder eines von vielen Pannen begleiteten Italien-Urlaubs mit seiner Familie in einem VW-Campingbus kommentierte er mit gänzlich uninteressanten Anekdoten, vermeintlichem Witz und viel eigenem Gelächter. Niemand lachte mit. Für uns Schülerinnen und Schüler mit 16 oder 17 war die Darbietung ein sehr unangenehmer Distanzverlust. Die bildhaft gemachte Nähe zu dem Lehrer und seiner Frau in Badehose und Bikini in ihrer Privatheit erzeugte ein starkes Gefühl der Peinlichkeit und des unfreiwilligen Voyeurismus. Es war sicher nett gemeint von dem Mann, aber wir wollten dann doch lieber den Mathe-Unterricht fortsetzen, was wir dann auch durchgesetzt haben. Er hatte Humor verbreiten wollen und war dabei selbst zum Objekt des Humors geworden.

Und später? Gab es dann noch Berührungen, Kontakte, Erlebnisse mit Mathematiker*innen?

Später waren immer wieder Mathematiker und Physiker in meinem engsten Freundeskreis (und sind es noch). Natürlich faszinierten mich die Kenntnisse und Fähigkeiten dieser Freunde sehr, während sie mich sehr darum beneideten, dass ich als Künstler für das, was ich behaupte, sage, zeichne oder schreibe, keinen Beweis erbringen muss, wie es bei ihnen Pflicht ist. Am Biertisch in einer Studentenkneipe kam es vor, dass wir versuchten, bekannte Zitate in Formeln auszudrücken, um zu prüfen, ob etwas Fehlerhaftes in ihnen enthalten sei, etwa bei dem Wahlspruch der Schweiz: „Einer für alle, alle für einen" (wenn alle für einen stehen oder handeln, gehört dieser dann zu der Menge aller?).

Eignet sich der Mathematiker, die Mathematikerin, die Mathematik besonders für humoristische Darstellungen?

Für humoristische Darstellungen eignen sich alle Berufsgruppen. Im Zusammenhang mit der Mathematik gefallen mir persönlich besonders Umsetzungen, in denen sich Wissenschaftler mathematische Gefechte liefern, sich duellieren, etwa bei Hitchcock (der nicht selten mit den Mitteln des Humors arbeitet) in seinem Film Der Zerrissene Vorhang (Torn Curtain, USA 1966), wenn Prof. Michael Armstrong (West) und Prof. Gustav Lindt (Ost) mit Kreide an der Tafel des Hörsaals zu der wohl heißesten Schlacht des Kalten Krieges antreten.

... zwei feuchte, frisch aus der Schale geschnittene Kastanien in der Hand des glücklichen Kindes mehr sind als nur eine. Bernd Pohlenz


2008 gab es etwa 250 Einreichungen für den DMV-Cartoonpreis, dieses Jahr über 300 aus 50 Ländern der Erde. Wie erklären Sie sich dieses (humoristische) Interesse an der Mathematik?

Ich möchte der Mathematik nicht zu nahe treten und dennoch ganz ehrlich antworten: Die hohe Zahl der eingereichten Bilder ist auch damit zu erklären, dass (Dank der DMV!) ein Preisgeld ausgelobt wurde. (lacht)

Sie hatten 2007 die Idee für ein spezielles Social Network für die Cartoon-Kunst und haben www.toonpool.com mitbegründet. Was war damals Ihre Absicht damit und wie erklären Sie sich den großen Erfolg des Portals?

Ich wollte einen Treffpunkt (mit Austauschmöglichkeiten) für Künstlerinnen und Künstler im Cartoon-Bereich bereitstellen, auch ihre Präsenz, ihre Wahrnehmbarkeit, ihre Verkaufsmöglichkeiten fördern. Sie laden ihre Bilder selbst hoch (user generated). Am kalten Abend des 15. November 2007 wurde von unserem Programmierer das erste Bild in das Social Network www.toonpool.com geladen, heute sind es knapp 180.000 Cartoons von 2.800 Künstlerinnen und Künstlern aus ca. 120 Nationen. Was den Erfolg betrifft, glaube ich, dass die Begriffe Voyeurismus und Exhibitionismus dann positiv zu bewerten sind, wenn sie antipodisch eine passgenaue Entsprechung bilden: Die User suchen (oft über eine sehr bekannte Suchmaschine) witzige Bilder, um sich daran zu erfreuen oder Nutzungsrechte zu erwerben - und die Künstlerinnen und Künstler haben mehrheitlich ein ihnen eigenen Drang, das zu zeigen, was sie machen, was sie gedanklich bewegt.

Bringen manche Länder besonders viele oder gute Cartoonist*innen hervor?

Die USA, Kanada, Australien und Großbritannien haben diesbezüglich wohl einen gewissen Vorsprung (viel und gut), was daran liegen mag, dass die Cartoon-Kunst in diesen Ländern traditionell mehr gepflegt wird als anderswo. Das gilt zwar auch für Frankreich und Belgien, allerdings scheuen nicht wenige französischsprachige Künstlerinnen und Künstler nach meinem Eindruck die Kommunikation in englischer Sprache, so dass sie auf www.toonpool.com weniger vertreten sind. Sehr starke Cartoons kommen aus Deutschland auf unser Portal (viel und gut), aber das möchte ich nicht näher interpretieren, da das Projekt mit seinem Sitz nun mal hierzulande stationiert ist. Immer wieder freue ich mich über wunderbare Cartoons aus Brasilien, Argentinien, Kuba oder Costa Rica. Auch die Künstlerinnen und Künstler aus der Türkei sind überdurchschnittlich aktiv, womöglich, weil sich das Land in einer Umbruchsituation befindet (wie auch immer sie ausgehen mag).

Gibt es evtl. auch eine Häufung von Themen (Sujets)?

Die quantitative Reihenfolge (geladene Bilder) ergibt thematisch folgende Hierarchie: 1.) Politik, 2.) Medien & Kultur, 3.) Philosophie, 4.) Berühmte Personen, 5.) Liebe. Zum Stichwort „Obama" findet man 2.577 Treffer (Bilder), zu „Merkel" 4.645.

Kommen Sie selbst eigentlich auch noch zum Zeichnen?
Ja.

Was haben Sie für Zukunftspläne - für toonpool, Ausstellungen, Ihre internationalen Kontakte?

Ich bin gesellschaftsrechtlich verpflichtet, gegenüber Außenstehenden keinerlei Auskünfte zu Plänen unseres Unternehmens zu erteilen. (lacht) Im Ernst: Wir haben aus Beständen des Portals, klassische, also „analoge Ausstellungen" in Deutschland, Großbritannien, der Türkei und in Mazedonien durchgeführt. Dies wollen wir fortsetzen und ausbauen. Neben der Förderung der Künstlerinnen und Künstler, glauben wir, dass das Projekt - gerade auch in der inhaltlichen Auseinandersetzung der verschiedenen Kulturen, Mentalitäten, Religionen - im Sinne der Völkerverständigung tragfähige Brücken bauen kann.

Preisverleihung MiA 2013 KayHerschelmann

(Foto: Kay Herschelmann für die DMV)

...sind alle 161.783 "Mathe im Advent"-Spieler/innen der laufenden Saison...

Alle diesjährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an "Mathe im Advent", also den beiden Mathe-Adventskalendern der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, sind unsere Mathemacher des Monats Dezember! Es sind dies:

88.437 Mitspielerinnen und Mitspieler der Klassenstufe 4 bis 6
3058 Frühstarter der Klassen 2 und 3
58.221 Mitspielerinnen und Mitspieler der Klassenstufe 7 bis 9
6467 Lehrer/innen
5630 Spaßaccount-Spieler/innen

Summa summarum: 161.783 Personen aus 62 Ländern der Welt!

Der Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an "Mathe im Advent" kommt natürlich aus Deutschland. Die meisten Mitspielerinnen und Mitspieler kommen aus Nordrhein-Westfalen (17955), Bayern (17143), Baden-Württemberg (14998), Niedersachsen (12689) und Rheinland-Pfalz (8472).

Wir haben aber auch begeisterte Mitspielerinnen und Mitspieler im Ausland: am begeisterungsfähigsten sind dabei die Schweizer mit 1130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die Österreicher (1077); danach folgt Spanien mit 180 Mitspielerinnen und Mitspielern und Belgien mit 177.

Auch das Klassenspiel ist wieder äußerst beliebt: Die meisten ausländischen Klassen kommen aus der Schweiz (116). Es folgt Spanien mit 23 Klassen. Frankreich bestreitet Platz 5 mit 14 Klassen, davor liegt Belgien mit 16 Klassen.

Übrigens sind wieder über die Hälfte der Mathe-Fans weiblich. Mit anderen Worten: Mädchen können, mögen und machen Mathe! (q.e.d.)

Anke Hornbruch ist Lehrerin und arbeitet nach vielen Jahren an der Ganztags-Grundschule „Adolf-Reichwein" nun seit 2010 an der besonderen Glocksee Schule in Hannover. Die Mathematikförderung liegt ihr besonders am Herzen. Mit Ihrer jahrgangsübergreifenden Lerngruppe „Wombats" war sie beim Schülerwettbewerb „Mathe-im-Advent 2013" besonders erfolgreich. Stephanie Schiemann vom Netzwerkbüro Schule-Hochschule sprach mit ihr.

Anke Hornbruch Foto Alexander Voigt

(Foto: Alexander Voigt)

Die „Wombats" sind eine jahrgangsübergreifende Lerngruppe von 4. bis 6.-Klässlern. Wie läuft das bei Ihnen an der Schule und im Unterricht ab?
Bei uns an der Schule erfolgt ein Großteil aller Unterrichtszeiten jahrgangsübergreifend. Nur in den Klassenstufen 7 bis 10 gibt es Jahrgangsklassen in gut der Hälfte der Unterrichtszeit: Es gibt vier altersgemischte Projektwochen jährlich und zusätzlich für Kl. 7-9 gemeinsam die Fächer "Natur", "Musik" und "Projektunterricht". In der Unterstufe gibt es so gut wie keinen Unterricht in Jahrgangsgruppen. In drei Parallelklassen lernen Erst-, Zweit- und Drittklässler gemeinsam. Ebenso gibt es auch drei gemischte Klassen 4-6...

... und eine davon sind die Wombats?
Genau. Diese Klasse setzt sich zusammen aus 8 Viertklässlern, 5 Fünftklässlern und 8 Sechstklässlern zusammen. Aber wer in welche Stufe gehört, würde auf den ersten Blick keiner erkennen! Morgens treffen wir uns in unserer KV, der Klassenversammlung. Dort wird besprochen, was die Kinder bewegt und was an diesem Tag ansteht. Es gibt verbindliche Arbeitszeiten in Mathe, Deutsch, Thema und den Sprachen, aber was die Kinder in dieser Zeit tun, bestimmen sie in Absprache selbst. Darüber hinaus gibt es auch Zeiten, in denen sie verbindlich einen Verantwortungsbereich für die Schule betreuen, das KMW-Band, in dem sie sich in kreative Kurse einwählen, und bewusst auch Zeiten, die nicht verplant sind.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile jahrgangsübergreifenden Lernens? Nennen Sie doch bitte hier Beispiele aus dem Mathematikunterricht.
Ein großer Vorteil ist in meinen Augen, dass man sich als Lehrerin von der Idee verabschieden muss, dass jedes Kind in einer Unterrichtsstunde dasselbe lernt. Dies ist m.E. auch in einer Jahrgangsklasse nicht möglich, doch die Idee davon spukt noch in zu vielen Köpfen herum.
An der Glocksee-Schule lernen die Kinder miteinander, aber nicht zur selben Zeit dasselbe. Die Schülerinnen und Schüler helfen einander: wer etwas schon verstanden hat, erklärt es anderen und überprüft sein eigenes Wissen dabei. Die Kinder bekommen früh mit, was sie später auch einmal lernen werden und die Älteren sehen bei den Jüngeren, welche Entwicklungsschritte sie schon gemacht haben.

Was ist an Ihrer Schule, der Glocksee Schule noch besonders?
Bei uns gibt es keine Schulstunden, keine Pausenklingel, es gibt keine Klassenarbeiten und keine Noten, die Schüler duzen die Lehrer, alle zwei Wochen treffen sich die Erwachsenen auf Elternabenden, auch das Mittagessen wird von den Eltern gekocht. Das Motto der Schule ist seit 40 Jahren „Lernen ohne Angst – Lernen ohne Zwang", so versuchen wir zu leben.

Wie haben Sie von Mathe im Advent erfahren, zum wievielten Mal nehmen Sie teil, was motiviert Sie dazu?
Auch an meiner vorherigen Schule nahm ich an vielen Mathematikaktionen teil. Die Idee des Mathe-Adventskalenders war mir aus dieser Zeit vom „Känguru der Mathematik" bekannt. Als ich nach dem Schulwechsel eine jahrgangsgemischte Klasse von 4.-6.-Klässlern übernahm, war ich sehr glücklich, auf ein Angebot zu stoßen, dass genau auf diese Altersspanne zugeschnitten ist. Normalerweise fallen wir mit unserer Stufe aus jedem Raster – weder Primar- noch Sekundarstufe...
Ich habe dieses Jahr zum vierten Mal den Kindern meiner Klasse das Angebot gemacht, an „Mathe im Advent" teilzunehmen. Die meisten Kinder des sechsten Jahrgangs sind nun schon zum dritten Mal dabei gewesen. Viele Familien sind seitdem in der Weihnachtszeit vom „Mathefieber" befallen, auch Geschwister und Eltern knobeln in den jeweiligen Altersstufen fleißig mit.

... sie eine bereichernde, wichtige Sicht auf die Welt ist! Anke Hornbruch


Wie gehen Sie konkret mit den Kalenderaufgaben in der Klasse vor?

Für mich ist der Mathe-Adventskalender ein willkommener Anlass, jeden Dezember den Bereich der Text- und Knobelaufgaben im Unterricht in den Mittelpunkt zu stellen. Während der Mathearbeits¬zeiten schauen wir uns gemeinsam den Aufgabentext an und versuchen dort Wichtiges von Ausschmückendem zu trennen, diskutieren über gute und weniger gute Lösungsstrategien, machen Skizzen, Rollenspiele, füllen Tabellen aus oder was uns als sinnvoll erscheint. Viele der gelernten Rechenalgorithmen ergeben hier einen Sinn, das Sprechen über Mathematik und Rechenwege geschieht automatisch. Und natürlich üben wir auch den Umgang mit dem Computer, wenn die Kinder dort ihre Lösungen eingeben. Seit vier Jahren ist bei den Wombats jeden Dezember der Mathe-Adventskalender der Anlass, sich mit Mathematik zu beschäftigen. Und dass er motiviert, zeigen die Eingabezahlen an den Wochenenden und in den Ferien!

Die Glocksee Schule feierte letztes Jahr bereits ihren 40. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Wie haben Sie dieses Jubiläum begangen?
Wir haben das ganze letzte Schuljahr zum Jubiläumsjahr ausgerufen. Es gab ein großes Schulfest, das in einer jahrgangsübergreifenden Projektwoche von Klasse 1 bis 10 vorbereitet wurde. Auch die Ehemaligen feierten ein rauschendes Fest an der „Glocksee", dem Gründungsstandort der Schule. Über das ganze Jahr verteilt gab es eine inspirierende wissenschaftliche Vortragsreihe, die bis heute und noch hoffentlich lange ihre Nachwirkungen zeigt.

Werden Sie wieder an „Mathe im Advent" teilnehmen?
Auf jeden Fall - die Wombats freuen sich schon darauf! Und wer bis dahin in die siebte Klasse gewechselt ist, wird es dann hoffentlich eigenständig weiter führen.

Gibt es noch andere mathematische Highlights in Ihrer Schule?
Wir sind seit zwei Jahren eine mathe.forscher-Schule. In Zuge dieses gemeinsamen Programms der Stiftung Rechnen und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung erkunden unsere Schüler gemeinsam mit den Lehrern mathematische Phänomene in ihrer Lebenswelt. Sie entwickeln spannende Fragen und suchen innerhalb und außerhalb der Schule nach Antworten. Sie beobachten, stellen Vermutungen an, recherchieren und dokumentieren. Sie lernen so, Zusammenhänge und den Sinn von Mathematik zu verstehen. Der Mathematikunterricht an unserer Schule orientiert sich am Konzept des forschend-entdeckenden Lernens, so dass Schülerinnen und Schüler sich selbstständig mathematische Sachverhalte aneignen können und wir Lehrerinnen eher zu Lernbegleitern werden.

Wie sind Sie persönlich auf die Mathematik gestoßen? Gibt es da schon Erlebnisse aus Ihrer Kindheit oder ist Ihr spezielles Interesse an der Mathematik im Berufsleben mit den Schülerinnen und Schülern entstanden?
Mathematik begeistert und bereichert mich schon seit meiner Kindheit. Schon immer waren mir mathematische Sichtweisen auf meine Umwelt offensichtlich. Muster, Symmetrien, Logik bieten im Alltag, aber auch im Bereich der Zahlen ein Art von Schönheit, die mich erfreut.
Nun als Lehrerin freue ich mich, mit Kindern Mathematik betreiben zu können, gerne auch in fächerübergreifenden Zusammenhängen. Zur Zeit erleben wir beim Orientierungslaufen mit Karte und Kompass durch den Wald eine tolle Kombination aus Mathe, Thema und Sport.

Am 15. Februar jährt sich der Geburtstag des großen italienische Mathematikers, Physikers und Astronomen Galileo Galilei zum 450. Mal. Dieses Jubiläum nahm die DMV zum Anlass, sich auf die Suche nach dem Urgestein der Mathematik zu machen. Zwei DMV-Gesannte wurden fündig – in der Nähe von Florenz. Sie trafen den alten Meister in einer Trattoria vor den Toren der Stadt – körperlich zwar von seinen 450 Jahren gezeichnet, geistig aber topfit, scharfzüngig, klug und modern wie eh und je. Die Fragen stellten Thomas Vogt und Andreas Loos.

galileo galilei FOTO esteri.it

Verehrter Meister, erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Mathematik?

Schon als Kind habe ich gesehen, wie ein einziger Mann durch rechtzeitige Anstöße eine immense Kirchenglocke zum Läuten brachte, und um sie anzuhalten, hingen sich 4 oder 6 andre Männer an, wurden aber sämmtlich mehrere Mal in die Höhe gehoben, und konnten die Glocke, die ein Einziger in regelmäßigen Intervallen bewegt hatte, nicht sogleich zur Ruhe bringen.

Sie haben als junger Mann Ihr Studium der Medizin in Pisa abgebrochen, um in Florenz Mathematik zu studieren. Warum gerade Mathematik?

Ist nicht die Geometrie das mächtigste Werkzeug zur Schärfung des Verstandes, das uns zu jeglicher Untersuchung befähigt? Wie hatte doch Plato Recht, wenn er allem zuvor seine Schüler gründlich in der Mathematik unterrichtete!
Wie man mit Glück und Geschick aus einem einzigen, einfachen Princip eine Fülle von Theoremen gewinnt, das macht mich staunen!
Bemerket übrigens, wie nützlich die Definitionen der Mathematiker sind, die terminologischen Charakter haben und abgekürzte Redeweisen sind, zur Vermeidung der Mühsal.

Welche Bedeutung hat die Mathematik für Sie?

(wirkt abwesend)

Herr Galilei?

Ich dachte darüber nach, ob, wenn eine Million Goldes jährlich, die aus Spanien kommt, um das Militär zu besolden, nicht genügt, - ob es dann nötig sei, einen anderen Gehalt festzusetzen, um die Soldaten zu bezahlen.

Sie schweifen ab...

Wenn unser Abschweifen uns zur Erkenntnis neuer Wahrheiten führt, was sollte uns hindern abzuschweifen?
Aber fahren Sie fort!

Wir wollten wissen, worin Sie die besonderen Stärken der Mathematik sehen?

Ich behaupte, daß der menschliche Intellekt einige Wahrheiten so vollkommen begreift und ihrer so unbedingt gewiß ist, wie es nur die Natur selbst sein kann. Dahin gehören die rein mathematischen Erkenntnisse, nämlich die Geometrie und die Arithmetik. Freilich erkennt der göttliche Geist unendlich viel mehr mathematische Wahrheiten, denn er erkennt sie alle. Die Erkenntnis der wenigen aber, welche der menschliche Geist begriffen, kommt meiner Meinung an objektiver Gewißheit der göttlichen Erkenntnis gleich; denn sie gelangt bis zur Einsicht ihrer Notwendigkeit, und eine höhere Stufe der Gewißheit kann es wohl nicht geben.

... erstaunlich und entzückend ist die Macht zwingender Beweise, und so sind die mathematischen allein geartet. Galileo Galilei


Beruhen die Gesetze der Natur also allein auf Logik?

Die Philosophie ist in einem großen Buch geschrieben, das ständig offen daliegt, um von uns betrachtet zu werden (ich nenne es das Universum). Aber das Buch kann nicht verstanden werden, es sei denn, man lernt zunächst seine Sprache zu verstehen und die Buchstaben zu erkennen, in denen es geschrieben ist. Es ist in der Sprache der Mathematik geschrieben, und seine Buchstaben sind Dreiecke, Kreise und andere geometrische Figuren ohne die man nicht einen Satz versteht; ohne diese wandert man verloren in einem dunklen Labyrinth.

In den Naturwissenschaften, deren Schlüsse wahr und notwendig sind, und wo menschliche Willkür keine Stätte hat, muß man sich hüten, sich auf seiten des Irrtums zu schlagen; denn tausend Männer wie Demosthenes und Aristoteles würden von jedem mittelmäßigen Geiste aus dem Sattel gehoben, wenn dieser das Glück gehabt, die Wahrheit aufzufinden.

(denkt nach)

Mir scheint aber, die Logik lehrt uns zu erkennen, ob bereits angestellte Untersuchungen urtheilskräftig seien, aber dass sie den Gang derselben bestimme und die Beweise finden lehre, das glaube ich nicht.

Dennoch: Mathematik und Logik haben Ihnen bei Ihren (physikalischen) Experimenten und praktischen Arbeiten doch sehr weiter geholfen...

Ich leugne nicht, dass ich in den vergangenen Jahren manche Gedanken mir gemacht habe über die neuen Beziehungen, die aufgedeckt wurden in der Lehre von der Bewegung, aufgebaut auf Grundsätze der Geometrie.*

So haben Sie die Physik durch eine Unmenge von Beobachtungen und Messungen bereichert.

Uns muss es genügen, dass wir jene weniger erhabenen Werkleute sind, die aus dem Schachte den Marmor hervorsuchen und herbeischaffen, aus welchem später die genialen Bildhauer Wunderwerke erzeugen, die unter rauher ungeformter Hülle verborgen lagen.

Erlauben Sie zum Schluss eine etwas heikle Frage. Sie hatten gehörige Probleme mit der Inquisition. Wie ist ihre Position im Rückblick?

Ich habe stets gesagt:* Eure Sätze sind so fern von den gangbaren Lehren, dass Ihr bei einer Veröffentlichung viel Widersacher finden werdet, denn der natürliche Mensch trotz guter Augen sieht nicht das, was Andere mit ihrer Erfahrung an Wahrem und Irrigem aufgedeckt haben, und was ihnen verschlossen bleibt; mit sehr unliebsamen Titeln benennen sie die Reformatoren der Wissenschaft und suchen die Knoten zu zerhauen, die sie selbst nicht zu lösen verstehen, sie unterminieren jenes Gebäude, das von duldsamen Künstlern errichtet ist.

Für heute mag es genug sein, denn es ist spät geworden, und eine Stunde würde nicht lange genug sein, den genannten Stoff zu erschöpfen.

Nur an den Stellen mit * haben wir kleine Änderungen vorgenommen. Alle Zitate entstammen den folgenden Werken Galileos:

  • Unterredungen und mathematische Demonstrationen: Über zwei neue Wissenszweige, die Mechanik und die Fallgesetze betreffend 1-3 (Übersetzung: Arthur von Oettingen, Leipzig 1891)
  • Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme, das Ptolemäische und das Kopernikanische. Aus dem Italienischen (Übersetzung: Emil Strauss, Leipzig 1891)
  • Galileo Galilei, Il saggiatore, (Übersetzung AL., Rom 1623), Titelbild siehe unten.

Eine Biographie Galileis finden Sie hier.

Lesetipp: Die Geschichte um die Fälschung von Galileis Sidereus Nuncius in Spektrum der Wissenschaft, Februar 2014.

Galilei Il Saggiatore Villamoena fecit