Walter Schubert, geboren in Göppingen, ist seit sechs Jahren Fachkoordinator im Fach Mathematik an der Deutschen Schule in Shanghai Hongqiao. Im Gespräch mit uns erläutert er wie wichtig Erfolgserlebnisse auch für schwächere Schüler*innen sind und wie wichtig der Alltagsbezug im Mathematikunterricht ist.  

 

 

es eine universelle Sprache ist und Menschen verbindet.

 

Lieber Herr Schubert, wie kam es dazu, dass Sie sich für eine Lehrtätigkeit an einer Auslandsschule in China entschieden haben?
Nachdem ich, zusammen mit meiner Frau, bereits sechs Jahren lang an der Deutschen Schule in Istanbul tätig  war, haben wir uns vor sieben Jahren entschlossen ein zweites Mal ins Ausland zu gehen. Der ferne Osten erschien uns sehr reizvoll, da China als „Land der Mitte“ auf eine lange Geschichte und Kultur zurückblicken kann, die völlig andersartig zu der unsrigen ist.

Worin liegen die Unterschiede zwischen dem chinesischen und deutschen Schulsystem im Fach Mathematik?
Im chinesischen Schulsystem wird großer Wert auf das Fach Mathematik gelegt. In allen Jahrgangsstufen ist die Stundenzahl im Fach Mathematik deutlich höher als in Deutschland. Dabei werden Jungen und Mädchen gleichermaßen gefördert. Besonders erwähnenswert ist, dass im Vergleich zu Deutschland auch viele Mädchen Mathematik und andere naturwissenschaftliche Fächer studieren. Da wir an der Schule den deutschen Lehrplan erfüllen müssen, bleibt nur wenig Zeit, um Schnittstellen mit der chinesischen Kultur nachzugehen. Wenn möglich, werden aber Rechentricks aus der chinesischen Mathematik in den Unterricht eingebaut.
Die Deutsche Schule Shanghai ist eine MINT-Schule. Neben vielen AG-Angeboten (z. B. Robotics) und Teilnahme an zahlreichen Wettbewerben (Känguru-Wettbewerb, Mathematik ohne Grenzen, Lange Nacht der Mathematik), gibt es zwei Besonderheiten. In der Region Südostasien veranstalten die deutschen Auslandschulen jedes Jahr ein sogenanntes Mathecamp, an dem begabte Schüler der Jahrgangsstufen 10 und 11 teilnehmen können. Dabei bieten Kollegen der teilnehmenden Schulen Seminare zu Themen (z. B. sphärische Geometrie) an, die über den Lehrplan hinausgehen. Außerdem wird bis zur Jahrgangsstufe 9 sowohl Förderunterricht für Schüler, die Schwierigkeiten im Fach Mathematik haben, als auch „Forderunterricht“ für mathematisch begabte Schüler angeboten. 

Welchen Hintergrund haben die Schüler und Schülerinnen an Ihrer Schule?
Die Schüler und Schülerinnen kommen sowohl aus deutschen Familien, bei denen die Eltern für eine bestimmte Zeit als "Expats" in Shanghai arbeiten, als auch aus gemischten Familien, die langfristig in Shanghai leben. Da viele Mütter bzw. Väter als Ingenieure oder Manager für international engagierte deutsche Firmen tätig sind, haben die Schüler oft eine positive Grundeinstellung gegenüber der Mathematik und den Naturwissenschaften. 

Worin besteht für Sie heute die Faszination Mathematik? 
Mathematik ist eine universelle Sprache und ist etwas global Verbindendes. Als Beispiel erinnere ich mich an den Besuch einiger chinesischer Kinder, die kein Deutsch sprachen, im Unterricht der 10. Klasse. Sie folgten interessiert der Stunde zur Einführung in die Differentialrechnung und diskutierten nach der Stunde eifrig. Die begleitende Lehrerin verriet mir, dass die Schüler dieses Thema noch nicht behandelt hatten, aber die Grundideen verstanden hatten.

Wodurch ist Ihre Begeisterung für das Fach geweckt worden?
Mein ursprüngliches Interesse galt der Physik. Phänomene des Alltags zu verstehen und zu berechnen war von jeher faszinierend für mich. Hinter scheinbar einfachen Vorgängen wie der Abkühlung einer heißen Tasse Tee verbergen sich oft Prozesse, die nur mit Hilfe der Mathematik zu entschlüsseln sind. Insbesondere beim Studium der Diplomphysik habe ich die höhere Mathematik zu schätzen gelernt. Auf relativ wenigen Grundlagen (Axiomen) basiert ein komplexes Gebilde aus Zusammenhängen. Besonders begeistert haben mich zum Beispiel Fraktale, die zu einem gewissen Maß Mathematik und Kunst miteinander verbinden. 

Nutzen Sie die Phänomene des Alltags als Beispiele auch in Ihrem Mathematikunterricht?
Ja, ich mache andere in meiner Umgebung auf interessante Phänomene aufmerksam, wie z. B. Lichteffekte, und bei Interesse erkläre ich den Hintergrund. Auch bei Überschlagsrechnungen zu alltäglichen Problemen (wie Finanzierungen oder der Zeitdauer zur Entschlüsselung eines Passworts) fordere ich andere zum Mitdenken auf. Wenn jemand den Taschenrechner zückt oder an einfachen Prozentrechnungen scheitert, erkläre ich einfache Wege zum Lösen des Problems ohne Hilfsmittel. 

Wie begeistern Sie auch leistungsschwächere Kinder für Mathematik?
Ich versuche den Unterricht so zu gestalten, dass zum einen auch schwächere Schüler Erfolgserlebnisse haben können, und zum anderen begabte Schüler durch knifflige Aufgaben zum Weiterdenken angeregt werden. Dabei versuche ich durch einfache und klare Erklärungen komplexe Zusammenhänge nachvollziehbar darzustellen. Zusätzlich stelle ich, wenn möglich, den Alltagsbezug heraus. In der 8. Klasse lasse ich z. B. die Dichte eines Schülers bestimmen. In der 11. Klasse habe ich z. B. Sensitivität und Spezifität von Corona-Tests mit den Schülern diskutiert. Sehr motivierend finden Schüler auch Bastelaufgaben, bei denen mathematische Gesetzmäßigkeiten herausgefunden oder angewendet werden.

SchubertWalter Schubert (OStR) mit Sebastian Nonn, Jonas Mehrländer und Linda Hu.

Sie und die diesjährigen Preisträger*innen sehen alle sehr strahlend aus bei der Überreichung des Mathematik-Abiturpreises der Deutschen Mathematiker Vereinigung. 
Ja, die Preisträger haben sich sehr über die Auszeichnung gefreut und haben alle ein Studium im naturwissenschaftlich-technischen Bereich begonnen. Ich mache immer wieder deutlich, dass Mathematik die Grundlage für viele Studiengänge ist, bei denen man das zunächst gar nicht vermutet (z. B. BWL, Psychologie etc.). Die Mathematik regt die Kreativität auf besondere Weise an und bietet Beschäftigungsmöglichkeiten in vielen Bereichen.

Wie wird Mathematik in Corona-Zeiten unterrichtet, wie lange war die Schule dieses Jahr geschlossen?
Anfang Februar wurde die Deutsche Schule in Shanghai geschlossen. Ab Ende April wurde die Schule schrittweise wieder geöffnet, so dass ab dem 2. Juni der Schulbetrieb im vollen Umfang stattfinden konnte. Das Online-Learning in den Monaten März - Mai konnte mit Hilfe unserer IT-Abteilung bereits in der ersten Woche der Schulschließung starten. Jede Woche wurden ein bis zwei Stunden online unterrichtet. Außerdem wurde über die Plattform gechattet und Arbeitsaufträge wurden erteilt und besprochen. Einige Kollegen versorgten die Schüler auch mit selbst erstellten Lernvideos.  

Haben Sie außer der Mathematik noch weitere Leidenschaften? 
Immer wieder tauche ich ab in die Unterwasserwelt, um die Schwerlosigkeit und diese andere Art von Welt zu genießen.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau weiterhin alles Gute in China,
vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview führte Beate Klompmaker.
Foto: Deutsche Schule Shanghai / Sam Chen

Lisa Sauermann, Jahrgang 1992, wurde schon als Schülerin des Dresdner Martin-Andersen-Nexö-Gymnasiums bekannt, weil sie auf der Internationalen Mathematik-Olympiade IMO regelmäßig Medaillen für Deutschland holte (wir berichteten z.B. hier).

Lisa SauermannLisa Sauermann, Quelle: Privat


Sie promovierte 2019 bei Jacob Fox an der Stanford University. Ihre Dissertation wurde jetzt mit dem Richard-Rado-Preis 2020 der DMV-Fachgruppe Diskrete Mathematik ausgezeichnet. Aus diesem Anlass stellte das DMV-Medienbüro Lisa Sauermann online ein paar Fragen:

 

weil es noch so Vieles zu erforschen gibt.
 

Was sind deine ersten mathematischen Erlebnisse, an die du dich erinnerst?
Ich erinnere mich daran, dass ich in der Grundschule schon ganz gut rechnen konnte. Aber das ist natürlich noch nicht ungewöhnlich und schon gar keine Mathematik. Als ich dann in der 4. Klasse war, hat meine Mutter organisiert, dass ich an der Matheolympiade teilnehme, die damals eigentlich erst ab Klasse 5 war. Das war eine tolle Erfahrung und hat mich motiviert, an weiteren Mathe-Wettbewerben teilzunehmen.

Und wie ging es dann mit den Wettbewerben weiter?
In der 5. Klasse habe ich wieder mitgemacht und war noch erfolgreicher und hab in der dritten Stufe gewonnen. Das war natürlich super motivierend für mich. Aber das klingt jetzt so, als ob mich nur der Erfolg motiviert hätte. Natürlich haben mir die Aufgaben Spaß gemacht, aber ich mochte es als Kind auch zu den Wettbewerben hinzufahren, in den Landheimen zu übernachten und mit anderen Leuten zusammen zu sein.
Und als ich in der 6. Klasse das erste Mal bei der Bundesrunde der Mathematik-Olympiade dabei war, bin ich für die Achtklässler angetreten und hab einen ersten Preis geholt.

Was hat dir damals geholfen, so erfolgreich zu sein?
Zum einen haben mich meine Eltern unterstützt, wo sie nur konnten, und dann hat diese Aufgabe das Gymnasium übernommen, auf dem ich war. Das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium in Dresden ist seit DDR-Zeiten eine Spezialschule für Mathematik. Es gab da eine sehr gute Mathe-AG und später dann ein Mathetraining an der TU Dresden für die, die gut in der Matheolympiade abgeschnitten haben. Das hat mir sehr geholfen.

Dann war ein Mathe-Studium ja quasi vorprogrammiert...
Genau. Ich bin dann - zusammen mit mehreren Freunden aus Olympiadezeiten - zum Mathe-Studium nach Bonn gegangen und später mit einem Stipendium des DAAD für die Promotion in die USA nach Stanford.

Worüber hast du promoviert?
Die Doktorarbeit hieß "Modern Methods in Extremal Combinatorics" da gab es herausfordernde Probleme, die ich mir vorgenommen und die ich geknackt habe.

Was ist denn extremale Kombinatorik?
Die extremale Kombinatorik ist ein Teilgebiet der Kombinatorik. Typischerweise geht es in extremaler Kombinatorik um Probleme, die maximale oder minimale Größe kombinatorischer Konfigurationen unter bestimmten Bedingungen zu bestimmen. Ein Beispiel ist das folgende Problem, das schon vor mehr als hundert Jahren gelöst wurde: Wie viele Kanten kann ein Graph mit n Knoten maximal haben, ohne dass drei Knoten paarweise durch Kanten verbunden sind (also ohne dass der Graph ein Dreieck enthält)? Extremale Kombinatorik ist ein sehr lebendiges Gebiet mit engen Verbindungen zu anderen Gebieten der Mathematik.

Magst du uns eventuell auch sagen, wie es privat für dich weiterging?
Gerne. Ich habe in Stanford einen Promotionsstudenten aus Kanada kennengelernt und geheiratet und habe seit zwei Jahren zusammen mit ihm eine kleine Tochter namens Clara.

Die Laudatio zum Richard-Rado-Preis und ein Beitrag von Lisa Sauermann über ihre Arbeit findet sich in den DMV-Mitteilungen 28-1, die gerade erscheinen. Ein ausführliches Interview mit Lisa Sauermann wird im Heft 28-2 erscheinen.

Ganea04Mathemacherin Milena GaneaUnsere Mathemacherin der Monate Juni und Juli 2020 ist Milena Ganea. Als Kind war sie bereits ein Mathe-Ass und hat viele Preise eingeheimst. Der Kritik am schweren Matheabitur zum Trotze: die Hälfte von Ganeas Schüler_innen erreichen die Note 1 bei der diesjährigen Mathe-Abiturprüfung. Ganeas Ansatz ist es, Mathematik als produktives Denken und Entdecken zu vermitteln. Im Interview spricht sie über das Glücksgefühl, aus eigener Kraft die verborgenen Zusammenhänge eines mathematischen Sachverhalts zu entdecken.

Mathematik schön ist.

Sie sind Absolventin des Lyzeums für Mathematik und Physik in Hermannstadt in Rumänien und haben nach Ihrer Schulzeit das Studium der Mathematik an der Universität „Babes Bolyai“ an der Fakultät für Mathematik in Klausenburg absolviert. Sie waren Lehrerin für Mathematik an deutschen Gymnasien und am deutschen Lehrerseminar in Hermannstadt (1985–2002). Seit 2007 sind Sie Lehrerin für Mathematik und Informatik am Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium in Siegen. Sie leiten die Mathematik AGs und Informatik AGs und bereiten mathematisch begabte und interessierte Schüler_innen auf die Mathematikwettbewerbe vor. Sie waren Dozentin bei den Mathematikakademien in NRW und haben an Mathematikwochenenden in Siegen und Bonn mit Schülern Ihres Gymnasiums teilgenommen. Was war Ihr erstes „mathematisches Erlebnis“?

Ich erinnere mich, dass ich im Kindergarten Bauklötze sortieren sollte, und ich war sehr froh und stolz zu entdecken, dass manche Bauklötze Ecken und Kanten hatten und manche `rund´ waren. Dass Mathematik faszinierend ist und einfache, schöne Lösungen für komplizierte Probleme haben kann, habe ich in der 2. Klasse entdeckt, als unser Mathe-Lehrer uns die Geschichte der Gaußschen Summenformel erzählt hat.

Wodurch ist Ihre Begeisterung für das Fach geweckt worden? 

Mathematik war für mich bis zur 6. Klasse eher wie ein Spiel, das ich fast immer gewinnen konnte. Ich fand es schön und spannend, dass Mathematik viele Zugänge hat. Von der 4. bis zur 12. Klasse habe ich an den Mathematikolympiaden teilgenommen und hatte dabei viel Spaß und war stolz auf die Preise, die ich gewann. Mit der Einführung des Fachs Geometrie in der 6. Klasse kamen die ersten Herausforderungen und die ersten Schwierigkeiten – wir mussten geometrische Beweise führen, „sauber und wasserdicht“. Eine Nachbarin, die Mathematiklehrerin war, hat mir unter die Arme gegriffen. Danach hatte ich ein echtes „Feeling“ dafür. Ich hatte endlich die Mathematik nicht nur im Gefühl, sondern mir wurden auch das `Warum´ und das `Wie´ bewusst. 
Seit der 5. Klasse haben die Mathe-Lehrer mich gefördert: sie haben mich mit Aufgaben aus der Zeitschrift Gazeta Matematica begeistert. Ich durfte diese Aufgaben dann im Unterricht und anstatt regulärer Hausaufgaben lösen. Die Begeisterung und Leidenschaft der Lehrer für das Fach sind auf mich abgefärbt. Ich fand – und finde auch heute noch – Mathematik spannend und interessant, ich musste nie pauken!
Später, als Lehrerin, hatte ich wunderbare, mathematisch begabte Kollegen. Wir haben uns jeden Monat getroffen, immer montag abends. Jeder hat interessante Aufgaben und Themen aus der „Gazeta Matematica“ vorgestellt. In den Mathe-Camps haben wir bis spät in der Nacht Mathe-Aufgaben gelöst. 

Wird die Schulmathematik in Rumänien anders als in Deutschland unterrichtet, ist Mathematik in Rumänien ein typischen „Jungen- oder Mädchenfach“? 

Als ich noch in Rumänien unterrichtete, war die Schulmathematik ab der 5. Klasse anspruchsvoller als in Deutschland. Es gab weniger „Päckchenaufgaben“ sondern mehr Aufgaben, bei denen im Vordergrund das mathematische Argumentieren und das Denken in Zusammenhängen standen. Die Mathematikwettbewerbe, die wöchentlich organisierte Vorbereitung zur Förderung mathematisch begabter und interessierter Schüler_innen und die Mathe-Camps waren Tradition. Mathematik macht auch in Rumänien keinen Unterschied zwischen Mädchen und Jungen – die Begeisterung dafür zählt.

Gibt es in Ihre Familie Personen, die Ihre Leidenschaft für die Mathematik teilen? Ja, meine Mutter, die allerdings Biologie und mein Ehemann, der Elektronik studiert hat.

Welchen Ansatz wählen Sie in der Vermittlung von mathematischen Inhalten?

Mathematik Ag im Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium in Siegen.

Mein Ansatz ist Mathematik als produktives Denken und Entdecken zu vermitteln. Am wichtigsten ist für mich im Unterricht das Denken und Fragen, Weiterdenken und Weiterfragen aber auch das Hinterfragen zu fordern und zu fördern. Der Umgang mit Fehlern gehört dazu. Ich möchte meinen Schülern und Schülerinnen vermitteln, dass Mathematik kein Werkzeugkasten, kein nerviges Zahlenwerk ist, sondern kreatives, logisches Denken – ein Abenteuer für den Kopf, dass Mathematik leicht, aber auch anstrengend sein kann und Ausdauer und Konzentration verlangt. Aber die positiven Emotionen, das Glücksgefühl, aus eigener Kraft die verborgenen Zusammenhänge eines mathematischen Sachverhalts zu entdecken sind eine satte Belohnung für die Anstrengung. 
Seit 2007 wirke ich aktiv bei der Förderung mathematisch begabter und interessierter Schüler_innen am Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium in Siegen und bei der Organisation und Durchführung der Mathematik- und Informatikwettbewerbe (Mathematikolympiaden, Känguru der Mathematik, Pangea-Wettbewerb, Biber-Informatikwettbewerb) auf lokaler und regionaler Ebene mit.  Als Dozentin bei den mathematischen Akademien in NRW und bei Mathematikwochenenden in Siegen und Bonn hatte ich die Gelegenheit den von Mathematik begeisterten Schülern und Schülerinnen das Schöne der Mathematik, insbesondere mit geometrischen Aufgaben zu vermitteln. 

Wie begeistern Sie Kinder für Mathematik?

Ich unterrichte meistens in der Sekundarstufe II. Viele meiner Schüler_innen lerne ich aber schon ab der 5. Klasse im Rahmen der Mathematik-Informatik AG kennen. Mathematische Denkspiele, das spannende, interaktive Lösen vieler Aufgaben am PC, das spielerische Lernen der Algorithmik anhand Scratch und Caliope wecken bzw. fördern ihr Interesse und ihre Begeisterung für Mathematik. Im Unterricht und in der AG erfahren die Schüler_innen, dass hinter Navigationssystemen, Wetterberichten, Schaltungen und Chipdesign, Bauplänen usw. viel Mathematik steckt. Die intensive, spannende und oft anstrengende Beschäftigung meiner fleißigen FJM-Schüler_innen mit der Mathematik wurde immer reichlich belohnt. Auch in diesem Jahr waren sie erfolgreich: von insgesamt 18 Schülern und Schülerinnen des Leistungskurses haben 9 die Note Eins bei der Mathe-Abiturprüfung erreicht.


 Worin genau besteht für Sie heute die Faszination Im Fach Mathematik? 

Mathematik ist eine Herausforderung für den Intellekt und die Fantasie. Alltagsprobleme können mit mathematischen Modellen analysiert und bewertet werden. Mathematik kann gestalten, die Schönheit der Formen und die Schönheit der Formeln sowie die Gesetze der Logik bleiben ewig. Das Denken in Zusammenhängen, ein strukturiertes, logisches Denken und die Fähigkeit Probleme kreativ zu lösen unterstützen sie erfolgreich jeden Tag, ein Leben lang. 

Milena Ganea (Mitte) mit David Schönherr und Sophie VoßSie haben Sophie Voß und David Schönherr mit dem Abiturpreis Mathematik der Deutschen Mathematiker-Vereinigung  ausgezeichnet.  In Ihrem diesjährigen Abiturjahrgang haben neun Schüler_innen die Note 1. Mit welchen Argument können Sie jungen Leuten empfehlen Mathematik zu studieren?

Mathematik ist Denken und Entdecken und liegt jeder Wissenschaft zugrunde. Sie ist ihre gemeinsame Sprache.
Mathematik ist schön.

Das Mathematicum Museum in Gießen hat einen Preis gesponsert.

Das Interview führte Beate Klompmaker.
Fotos: M. Ganea, privat

AnjaFetzer sepia05 2020Anja Fetzer, Foto: privat

Anja Fetzer ist Mathemacherin der Monate Mai und Juni 2020. Sie hat das mathematische Spiel Ganita zur Produktreife geführt und promoviert zur Zeit am Fachbereich „Mathematik und ihre Didaktik" an der Universität Tübingen. Das Interview führte Beate Klompmaker, Leiterin des Netzwerkbüros der
Deutschen Mathematiker-Vereinigung.

Liebe Frau Fetzer, was war Ihr erstes 'mathematisches Erlebnis'?

Ich denke, als ich das erste Mal so richtig lange an einer Aufgabe geknobelt habe, um die Lösung herauszubekommen.

Für Sie ist es also ein Ansporn über Aufgaben zu brüten und Lösungen zu finden. Da kommt mir der Ausruf: „Heureka!, ich habe die Lösung“ in den Sinn.

 Ja, das ist ein bisschen so. Man muss die Neugierde wecken und wenn man ein, zweimal diesen Moment hatte, dann will man ihn wieder haben. Man freut sich einfach darüber, wenn man eine Lösung gefunden hat.

Mathematik Betreiben Probleme löst.
 

War dies Ihre Grundmotivation Mathematik zu studieren und das mathematische Spiel Ganita zu entwickeln?

Ja, unter anderem. Mathematik hat mir dennoch nicht immer Spaß gemacht, manches Mal bekommt man es einfach nicht hin und dann gibt es eine große Frustration. Aber für das Spiel war die Motivation ein großes Thema.

Auch wenn Sie diese Frustrationsmomente in der Mathematik erlebten, so haben Sie immer weiter gemacht, oder?

Ja, total. Es muss dann aber überwiegen, dass es doch irgendwie Spaß macht.

Sie haben während Ihres Studiums das mathematische Spiel Ganita entwickelt. Worum geht es in dem Spiel und für wen ist das Spiel gemacht?

Der Name des Spiels Ganita ist Sanskrit und bedeutet „Mathematik". Das Spiel funktioniert in etwa wie das populäre Spiel Activity, das man in Teams spielt und in dem man Begriffe pantomimisch darstellen, sie zeichnen oder erklären muss. 
Bei Ganita müssen die Schüler*innen in Teams Fragen aus fünf Kategorien beantworten und können so Punkte erzielen. Die Fragen bestehen nur zu einem kleinen Teil aus Rechenaufgaben. Es gibt viele Fragen, die kreatives Denken fördern, oder auch Aufgaben, bei denen die Schüler*innen  etwas pantomimisch oder zeichnerisch erklären müssen.
Die Zielgruppe sind Fünft- und Sechstklässler, wobei das Spiel auch schon in höheren Klassenstufen erfolgreich ausprobiert wurde.

Man kann das Spiel Ganita kostenlos downloaden. Wird in der Klasse vor Spielbeginn zunächst gebastelt? Acht Schüler*innen pro Brettspiel sind beim Spielen praktikabel: werden also pro Klasse drei Spiele ausgedruckt, geschnitten und zusammengeklebt? 

Gebastelt werden kann das Spiel natürlich mit der gesamten Klasse. Nur sollte die Zeit, die das Basteln beansprucht, nicht unterschätzt werden, es gibt über 400 Aufgabenkarten. Basteln und Spielen sind in einer oder zwei Schulstunden vermutlich nicht möglich.

Warum ist Ganita als Brettspiel und nicht digital konzipiert worden?

Klassische Brettspiele haben durchaus ihre Vorteile. Stichworte sind hier Embodiment und kooperatives Lernen. 

Was heißt denn hier das Stichwort Embodiment? Ich kenne den Begriff aus der Demenzforschung, hier werden Spiele oder Übungen für Demenzkranke entwickelt, bei denen eine körperliche Bewegung an eine Denkleistung geknüpft wird.

Embodiment ist eine relativ gut belegte Theorie, die besagt, dass sensorische und motorische Prozesse Einfluss auf unsere kognitiven Prozesse haben und somit körperliche Aktivität Einfluss auf den Lernprozess haben kann. Ein gutes Beispiel ist, wenn Schüler*innen ganze Zahlen lernen und Zahlen an einem großen Zahlenstrahl einordnen sollen: je kleiner die Zahlen werden, desto weiter müssen sie nach links laufen, je größer, desto weiter nach rechts. Es werden also der Raum und die Zahlen assoziiert, wobei kleine (und negative) Zahlen mit „links“, große (und positive) Zahlen mit „rechts“ assoziiert werden.

Anja Fetzer Grupenbild Mai 2020Anja Fetzer mit Schülern beim Ganita spielen.
Foto: A. F. privat
Das zweite Stichwort ist „kooperatives Lernen“, ist hier das Lernen in Teams gemeint?

 Ja, das heißt mit anderen zusammen lernen. Mit anderen zu lernen kann gerade in der Mathematik hilfreich sein. Wenn man nicht weiß, wie es weitergeht, kommt man, wenn man mit anderen spricht, auf neue Ideen bzw. lernt andere Sichtweisen kennen. Jedoch gibt es auch Studien, die besagen, dass dies nicht immer funktioniert, sondern nur unter bestimmten Bedingungen. Über Embodiment und kooperatives Lernen habe ich in meiner Abschlussarbeit geschrieben. Hier kann man auch nachlesen, dass Ganita die Kriterien für ein effektives kooperatives Lernen erfüllt.

Haben Sie, um das zu erläutern, das Begleitheft für Lehrkräfte geschrieben?

Ja, es soll Lehrer*innen beim Einsatz des Spiels im Unterricht unterstützen sowie ihnen erläutern, auf welchen fachdidaktischen und pädagogischen Grundlagen wir das Spiel konzipiert haben. Ich hoffe, dass das Begleitheft dabei hilft, das Spiel sinnvoll und lernwirksam im Unterricht einzusetzen.

Sie betonen, dass insbesondere Mädchen in ihrem mathematischen Selbstbild und ihren mathematischen Fähigkeiten durch das Spiel gestärkt werden. Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Biographien der Mathematikerinnen im Lexikon sowie die zum Teil weiblichen Spielfiguren stellen das stereotype Bild des männlichen, alten und weißen Mathematikers in Frage und bieten weibliche Rollenmodelle, die für Mädchen eine Vorbildfunktion einnehmen können. Wir haben fünf Frauen im Spiellexikon aufgenommen, zum Beispiel Hypatia von Alexandria, die im alten Griechenland gelehrt hat (um 355 – 415), Katherine G. Johnson (geb. 1918), die bei der NASA gearbeitet hat und Maryam Mirzakhani. Sie war eine iranische Mathematikerin und hat 2017 als erste Frau die Fields-Medaille bekommen, eine der höchsten Auszeichnungen in der Mathematik.

Sie promovieren nun nach dem Lehramtsstudium im Fachbereich „Mathematik und ihre Didaktik“ in Tübingen. Wo sehen Sie im Mathematikunterricht an Schulen Schwierigkeiten, die es zu lösen gilt? 

Schwierigkeiten sehe ich darin, bei den Schüler*innen ein adäquates Bild der Mathematik zu erzeugen und mathematisches Denken zu vermitteln und nicht nur „mechanisches Formelanwenden". Ich möchte später trotz Promotion in der Schule als Mathematiklehrerin arbeiten.

Vielen Dank für das Interview!

Kostenlose Downloads: 

Ganita, Lernspiel für den Mathematikunterricht.

Ganita, Begleitheft für Lehrer*innen.

Abschlussarbeit  „Spielerisch lernen im Mathematikunterricht: Das Lernspiel Ganita und seine fachdidaktischen Grundlagen“ (1. Staatsprüfung für das Lehramt am Gymnasium) von Anja Fetzer.

 

Unser Mathemacher der Monate März und April ist der Oberkonservator am Mathematisch- Physikalischen Salon der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und DMV-Medienpreisträger 2019, Michael Korey. Korey macht sich nicht nur um die Forschung verdient, sondern auch um die verständliche Präsentation der historischen Sammlungsobjekte wie Astrolabien, Armillarsphären und Himmelsgloben. Dabei richtet der promovierte Mathematiker besonderes Augenmerk auf den mathematischen Kontext und vermittelt diesen an breite Besuchergruppen. Thomas Vogt hat sich mit dem Preisträger unterhalten.

Als Oberkonservator am Mathematisch-Physikalischen Salon der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden begeistern Sie Kinder und Jugendliche im Zeitalter von Smartphone und Internet für mechanische Meisterwerke der Renaissance - wie machen Sie das?

Ein Smartphone hat fast jeder, das ist so yesterday – wer hat aber heute ein Astrolabium?

Diesen zukunftsweisenden Alleskönner mit einer 2000 Jahre langen Geschichte kann man bei uns im Dresdner Zwinger kennenlernen. Mit ihm konnte man beispielsweise die aktuelle Zeit allein von den Sternen ablesen, die Höhe eines Gebäudes feststellen, die vorgeschriebenen Gebetszeiten oder die Gebetsrichtung im Christentum und Islam ohne Uhr und Kompass ermitteln. Möglich wird dies alles durch die geschickte Ausnutzung mathematischer Prinzipien beim Bau des Instruments: der Winkeltreue stereografischer Projektion und der Seitenverhältnisse ähnlicher Dreiecke. Diese Fundierung muss man nicht kennen, um das Instrument erfolgreich einzusetzen, die Kenntnis davon führt aber, wie so oft, zu einem vertieften Verständnis – und zur gesteigerten Freude. Ein Oxforder Kollege sagte einst, die Menschheit sei zweigeteilt: Es gebe die eine Hälfte, die das Astrolabium für das Großartigste überhaupt halte, und die andere Hälfte, die noch nicht die Chance zu sehen gehabt habe, dass das so ist.

DrMKoreyMuseumsnacht SKD2014Medienpreisträger Michael Korey

(Foto: Christian Juppe für SKD)

Aber im Ernst: Als ein kulturhistorisches Museum mit Schwerpunkt auf der Geschichte wissenschaftlicher Instrumente des 16. bis 18. Jahrhunderts wird der Mathematisch-Physikalische Salon niemals im schlichten Sinne up-to-date sein und den „letzten Schrei“ der Technik ausstellen können. Das wollen wir auch nicht, weil wir immer wieder feststellen, dass die historischen Exponate des Museums – technische Meisterwerke und Kunstwerke ersten Ranges zugleich – eine besondere Ausstrahlung auf Besucher ausüben, die sie in ihren Bann zieht. Wir zielen darauf, mit einer niedrigschwelligen Präsentation Neugierde zu wecken. Dazu möchten wir die Mathematik und andere Naturwissenschaften, gerade in ihrer Verbindung zu den Interessen des sächsischen Fürstenhofs, wofür sehr viele der ausgestellten Instrumente, Automaten, Uhren und Globen hergestellt oder im Auftrag gegeben wurden, als zentralen Teil der Kultur präsentieren.


man auf sie zählen kann: als Quelle der Inspiration, der Kommunikation und der Schönheit. Als solides Fundament in einer Welt voller Unsicherheiten. Als Mittel zum Weltverständnis (und oft zur vermeintlichen Weltbeherrschung). Und als Lehre, wie tief man einer Frage nachgehen kann, wie viel noch zu ergründen ist und wie wenig man selber weiß.

Ein kostenloser Audioguide, thematische Führungen, Familienprogramme und ein reichhaltiges Angebot für Schulen und Kindergärten dienen dazu, das materielle und geistige Erbe der Wissenssuche vergangener Epochen lebendig werden zu lassen. Vor wenigen Wochen habe ich zwei Lehrerfortbildungen – für mathematische Gymnasiallehrer*innen aus Berlin und Referendar*innen aus Sachsen – angeboten, und es freute mich zu sehen, wie die weitgehend unbekannten historischen Exponate und unsere Vermittlungsansätze als relevant, nützlich und anregend für den aktuellen Unterricht eingestuft wurden.

Bitte nennen Sie ein Beispiel (Objekt), das besonders gut beim Publikum ankommt und wie sie es präsentieren.

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit der imposanten Planetenuhr für Kurfürst August von Sachsen (1526-1586): einer wahrhaft fürstlichen Himmelsmaschine der Renaissance mit dem Anspruch, den ganzen Himmelslauf in Echtzeit und in Einklang mit den seinerzeit gültigen geometrischen Modellen zur Vorhersage der Planetenpositionen wiederzugeben. Weltweit sind nur drei weitere, ähnlich raffinierte Uhren aus dem 16. Jahrhundert erhalten – in Paris, Wien und Kassel – und unser Forscherteam hat das Glück, aufregende Entdeckungen bei der näheren Untersuchung aller vier machen zu dürfen. Wir konnten dabei feststellen, dass die vier Uhren sowohl in technischen Details ihrer Fertigung als auch in ihren theoretischen Ansprüchen markante Unterschiede aufweisen. Beispielsweise stellten wir im kompakten Getriebe der Wiener Uhr eine innovative, geometrische Lösung zur Darstellung des ungleichförmigen (scheinbaren) Jahreslaufs der Sonne um den Tierkreis; diese Lösung ist zu den beiden aus der Antike überlieferten und über ein Millennium lang rezipierten Ansätzen äquivalent, taucht aber wohl erst in diesem mechanischen Zusammenhang auf. Außerdem meinen wir in der subtilen, gezielt ungleichförmigen Zahnverteilung bei einzelnen Zahnrädern im Getriebe der Dresdener Planetenuhr, die wir präzise vermessen haben, Zeugen der Geburtsstunde einer neuen astronomischen Theorie zu erkennen. Solche neuen Erkenntnisse wollen wir nicht nur einem Fachpublikum, sondern der breiten Öffentlichkeit nahebringen. Besonders glücklich bin ich daher über die Resonanz auf eine Kabinettausstellung, die wir vor einiger Zeit um die Dresdener Uhr herum hier im Mathematisch-Physikalischen Salon aufgebaut haben, um neue Wege der Vermittlung zu erkunden. Mit Förderung der Kulturstiftung des Bundes konnten wir – in enger Zusammenarbeit mit Medieninformatikern der HTW Dresden und Maschinenbauern der TU Dresden – einige Animationsfilme produzieren und haptische Funktionsmodelle entwickeln, um den Museumsbesuchern die hiesige Planetenuhr im wahrsten Sinne „begreifbar“ zu machen. Wir träumen noch davon, diese vier Meisterwerke des europäischen Kulturerbes erstmals in einer großen Sonderausstellung in direkte Beziehung zu setzen – bisher wurden keine zwei dieser besonderen Planetenuhren jemals an einem Ort ausgestellt! – und der Erfolg der Evaluierung unserer Kabinettausstellung stimmt mich optimistisch, dass es sich lohnt, dieses ambitionierte Ziel zu verfolgen. Einen Eindruck davon bekommt man bei www.skd.museum/planetenlauf.

Welche Formate der Präsentation nutzen Sie und welche kommen besonders gut an?

Seit der Wiederöffnung des Salons 2013 nach einer mehrjährigen Sanierung bieten wir ein breitgefächertes museumspädagogisches Angebot an. Im „Salon im Salon“, dem Lernort des neupräsentierten Museums, gibt es nun vier Säulen:

thematische Dialogführungen (i. d. R. 60 Minuten), die jeweils mehrere Anknüpfungspunkte im Schulcurriculum aufweisen;
multidisziplinäre Werkstattkurse (i. d. R. 90 Minuten), unterteilt in ein pädagogisch begleitetes Erkunden eines Teils der Sammlung, in den Nachbau eines der mathematischen Instrumente und die anschließende Lösung konkreter mathematischer Aufgaben mit Hilfe dieses von den Schüler*innen selbst gebauten Instruments;
Vorführungen von historischen Experimenten mit Hilfe von detailgetreu replizierten physikalischen Instrumente des 18. Jahrhunderts und
eine vierteilige Reihe für Kindergartengruppen (die Einzelbesuche sind für sie kürzer, wir wollen die jüngsten Besucher schon zu „Wiederholungstätern“ machen).

Für die wundervollen Dinge, die wir zeigen können, kommt es darauf an, echte Begeisterung zu hegen und bereit zu sein, diese auch zu vermitteln. Und wenn es der Vermittlung dient, bin ich manchmal mit Ganzkörpereinsatz dabei. Es ist zum Beispiel vorgekommen, dass ich vor einer Gruppe auf die Knie gehe, um ihre Sicht nicht zu verstellen und den Blick auf ein tiefliegendes Detail in einer Vitrine zu lenken, oder dass ich sogar meinen Gürtel ausziehe – allerdings nicht mehr! – und dann aufrolle, um die Wirkung der Feder bei einer mechanischen Uhr zu illustrieren. In seiner Geschichte des Porzellans (Die weiße Straße) hat der englische Autor und Künstler Edmund de Waal beschrieben, wie ich mit wedelnden Händen vor einem großen Brennspiegel stand, um die bündelnde Wirkung seiner konkaven Form auf einfallende Lichtstrahlen zu erläutern. (Der imposante Spiegel des sächsischen Gelehrten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus – einst neben Isaac Newton und James Gregory als führender Algebraiker Europas gelobt – ist eines der Glanzstücke der Sammlung und spielte eine wesentliche Rolle bei der europäischen Nachentdeckung der Rezeptur für das Porzellan.)

Kommen Sie noch zu eigener Forschungsarbeit? Wenn Ja: Was ist Ihr Hauptinteressensgebiet?

Ja, allerdings oft erst spätabends, aber dann intensiv: Ich schätze mich besonders glücklich, dass ich mit inspirierenden Kollegen aus verschiedenen Gebieten und Ländern eng zusammenarbeiten kann. Aktuell sind zwei Projekte besonders aktiv: neben dem oben beschriebenen Projekt „Deus ex machina“ zu den Planetenuhren der Renaissance ist es eine optische Odyssee auf der Spur der weltältesten erhaltenen Fernrohre. Uns ist gelungen, die Anzahl der bekannten „Inkunabeln“ in diesem Gebiet, also Instrumente aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, zu verdreifachen und – dank Förderung der National Science Foundation und der National Endowment for the Humanities (beide USA) und mit Hilfe eines eigens entwickelten, transportablen optischen Labors – die Linsen dieser frühen Fernrohre in öffentlichen Museen und Privatsammlungen erstmals zu vermessen. Damit wissen wir einiges mehr über die Geschichte des Fernrohrs und – wie könnte es anders sein? – ebenfalls sind nun neue, spannende Fragen entstanden.

Hinweis: Eine Übersicht des Angebots vom „Lernort MPS“ ist bei: https://mathematisch-physikalischer-salon.skd.museum/vermittlung/salon-im-salon/ .
Buchungen laufen über den Besucherservice der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! bzw. 0351/4914-2000. S. auch das einführende Büchlein Der Planeten wundersamer Lauf (ISBN 978-3-944555-03-4, zu beziehen über die Buchhandlung Walther König Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).